Nur wer zuhört, ist glaubwürdig
Es ist noch kein Jahr her, dass die Südwest-CDU erstmals in ihrer Geschichte vom Wähler in die Opposition geschickt wurde, und der Schock dieser Kränkung sitzt den Christdemokraten offensichtlich noch immer in den Knochen – auch auf kommunaler Ebene. Wie konnte das Wählervertrauen, dessen man sich so sicher zu sein glaubte, so gründlich abhanden kommen – und wie gewinnt man es zurück? Antworten auf diese Frage hatte sich Roland Tralmer von einem erhofft, der jahrzehntelang Vertrauen nicht nur genossen, sondern Vertrauenswürdigkeit geradezu verkörpert hatte. Worüber er denn sprechen solle, hatte Alt-Ministerpräsident Erwin Teufel den Albstädter CDU-Stadtverbandsvorsitzenden gefragt, als der ihn einlud, beim Neujahrsempfang in der Lautlinger Schloss-Scheuer Gastredner zu sein. Worüber er wolle, lautete die Antwort – aber wenn möglich solle er auf das Thema Glaubwürdigkeit eingehen. Wer könnte das glaubwürdiger als Erwin Teufel?
Der Gast tat Tralmer den Gefallen. Er versicherte eingangs – glaubhaft – , dass er gern auf die Zollernalb komme, der er sich als Spaichinger nicht nur geographisch eng verbunden fühle. Über eine Würdigung der Leistung, welche die Region mit der Bewältigung von Textilkrise und Strukturwandel erbracht habe, und der Verdienste von Kurt Georg Kiesinger, eines seiner politischen Ziehväter, kam er auf Lautlingen und auf die Stauffenbergs zu sprechen. An ihrem und dem Widerstand anderer Männer aus dem Südwesten wie Eugen Bolz oder Reinhold Frank, könne man sehen, was Glaubwürdigkeit sei und wie sie entstehe: durch die Übereinstimmung von Wort und Tat, durch die Bereitschaft, der Allgemeinheit zu dienen, statt Macht um ihrer selbst willen anzustreben. Ein "hörendes Herz" erbitte König Salomo von Gott, und solch ein hörendes Herz brauche auch der Politiker, um glaubwürdig zu sein. Wer dagegen meine, "nicht zuhören zu müssen, weil er das Sagen hat", könne kein Vertrauen erwarten.
Soviel zur Glaubwürdigkeit – indes durfte Teufel sprechen, worüber er wollte, und das tat er auch. Er verwies auf die Weitsicht der Nachkriegspolitiker, die – zusammen mit der Gunst der Umstände – den Deutschen ein nie gekanntes Maß an Frieden, Freiheit, Rechtstaatlichkeit und Wohlstand beschert habe. Und er warnte davor, diese Errungenschaften aufs Spiel zu setzen. Etwa durch einen entfesselten Ökonomismus, der über Börsenwert und Quartalszahlen vergesse, dass die Wirtschaft um des Menschen willen da sei und nicht umgekehrt. Oder durch nationale Borniertheit, die das in einer globalisierten Welt alternativlose europäische Projekt preisgebe. Und nicht zuletzt durch persönlichen Egoismus. Teufel zitierte Siegfried Lenz: "Auf dem Grabstein unserer Zeit wird stehen: jeder wollte das Beste – für sich."
So grundsätzlich geht es auch bei CDU-Neujahrsempfängen selten zu. Erwin Teufels Zuhörern war es recht. Besser man macht sich über Frieden, Freiheit und Demokratie Gedanken, solange man sie hat – denn ihr Verlust, so die unausdrückliche Botschaft des Elder Statesman, wäre ungleich katastrophaler als eine Wahlniederlage.